Hier die Rede zum Nachgucken:

Ein Arbeitsmarkt für alle: Ausgleichsabgabe für mehr Inklusion in Betrieben 
nutzen 


Sehr geehrte Frau Präsidentin, 
sehr geehrte Damen und Herren, 
300.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter in unserem Bundesland sind 
schwerbehindert. Aber weniger als die Hälfte von ihnen sind erwerbstätig. 
Die Arbeitslosenquote behinderter Menschen ist doppelt so hoch, wie beim 
Rest der Bevölkerung. Eurostat gibt für das Jahr 2020 an, dass 17,7 % der 
Menschen mit Behinderung im Alter zwischen 20 und 26 Jahren keine Arbeit 
haben, gegenüber 8,6 % der Menschen ohne Behinderung derselben 
Altersgruppe. Laut dem Zweiten Teilhabebericht des BMAS sind 20 % akut 
von Armut bedroht. 
Liebe Kolleginnen und Kollegen, 
wir alle wissen um den Wert von Arbeit: für die eigene finanzielle Sicherheit, 
der Möglichkeit eine eigene Existenz aufzubauen und das eigene 
Selbstwertgefühl. Deswegen ist es mir als Sozialdemokrat auch so wichtig, 
allen Menschen Zugang zu Arbeit zu verschaffen. Viele Menschen mit 
Behinderungen haben diesen eben nicht oder jedenfalls nicht so 
selbstverständlich wie der Rest unserer Bevölkerung. 
Für sie geht es nicht um die Frage, welcher Bildungsweg der Richtige ist, 
sondern ob es überhaupt einen gibt, der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt 
führt. 
Für sie stellt sich oft nicht die Frage, welche Qualifikation oder Erfahrungen 
man erwerben sollte, sondern ob das überhaupt eine Rolle für potenzielle 
Arbeitgeber spielt.

Diesen Zustand, meine Damen und Herren, können und dürfen wir nicht 
akzeptieren. 
Wir wissen, wie schwer es ist, Systeme mit ausgewogener und effektiver 
Unterstützung aufzubauen. Und wir wissen erst recht, wie schwer es ist 
Arbeitgeber dazu zu bringen, behinderte Menschen eine Chance zu geben. 
Wir können sie ja nicht einfach zwingen, behinderte Menschen 
einzustellen. 
Wobei ... naja, genau das versuchen wir seit vielen Jahrzehnten mit dem § 
154 SGB 9. Wenigstens 5% der Belegschaft ab einer Betriebsgröße von 20 
müssen behinderte Menschen sein. Und doch setzen 61 % aller 
Unternehmen dies nicht um. Sie zahlen stattdessen die Ausgleichsabgabe. 
Diese Zusatzabgabe soll Unternehmen auch finanziell motivieren, 
behinderte Menschen einzustellen und gleichzeitig Gelder zu gewinnen, die 
für die notwendige Unterstützung behinderter Arbeitnehmerinnen und 
Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. Richtigerweise hat der Bund mit der 
letzten größeren Änderung der Ausgleichsabgabeverordnung dann auch 
geregelt, dass diese Gelder nur genutzt werden dürfen, um Maßnahmen 
zum Erreichen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu finanzieren. Gelder für 
Wohneinrichtungen oder Werkstätten können über diesen Sonder-Fond 
also nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. 
Es ist zynisch, aber wir können uns also freuen, dass diese überwiegend 
negativen Umstände zu einem prall gefüllten Ausgleichsabgaben-Fond 
führen. 
Deswegen beschließen wir heute unseren Antrag mit dem Titel 
Arbeitsmarkt für alle – Ausgleichsabgabe besser nutzen. 

In ihm haben wir konkrete Maßnahmen beschrieben, die ergriffen werden 
sollen, um Menschen mit Behinderungen bessere Möglichkeiten auf dem 
allgemeinen Arbeitsmarkt zu geben. Ich verzichte darauf, auf jede einzelne 
einzugehen, die waren ja auch inhaltlich im Ausschuss unumstritten. Ich 
will aber auf zwei strukturelle Probleme hinweisen und was wir dagegen 
unternehmen wollen: 
Unsere personellen Ressourcen zur Bearbeitung von Anträgen betroffener 
Menschen und zur Konzeptionierung neuer Maßnahmen sind – wie in fast 
allen Bereichen der Landesverwaltung – begrenzt. Dabei braucht es diese 
dringend! Es ist doch absurd, dass einerseits Millionen im Ausgleichsfond 
liegen, wir aber andererseits aus dieser – auch nicht anteilig – Mittel für 
Verwaltungskräfte nehmen können, die doch genau diese Maßnahmen 
vorbereiten und bearbeiten, die mit den Mitteln der Ausgleichsabgabe an 
behinderte Menschen gebracht werden sollen. Natürlich wollen wir auch 
mehr Landesmittel eingesetzt wissen, um das Integrationsamt 
auskömmlich aufzustellen, aber diese Landesmittel sind nun einmal 
begrenzt und eine Reihe von Themen und Ressorts kämpfen um diese. Wir 
schlagen daher vor, dass sich Niedersachsen im Bundesrat dafür einsetzt, 
dass zumindest ein niedrigster Prozentwert der jährlichen 
Ausgleichsabgabe auch für die notwendigen personellen Ressourcen zur 
Abwicklung von Maßnahmen aus der Ausgleichsabgabe eingesetzt werden 
dürfen. 
Ein zweites Problem: Mittel aus der Ausgleichsabgabe, die in den ersten 
beiden Jahren nicht genutzt werden, fließen in die Rücklage, an die wir nicht 
mehr ran kommen. Einzig die Zinserträge sind für Maßnahmen für 
behinderte Menschen nutzbar, aber auch nur für den Themenbereich 
Arbeit.

Meine Damen und Herren, 
ich erhalte täglich Mails von Menschen mit Behinderungen, die mir 
Probleme und Barrieren schildern. Für viele von Ihnen ist eine 
Erwerbstätigkeit nicht die erste Priorität. Sie kämpfen um existenzielle 
Fragen, um Teilhabe und Mobilität. Unsere finanziellen Anstrengungen auf 
allen politischen Ebenen sind – das sage ich auch selbstkritisch – 
überschaubar, wenn es um den Abbau von praktischen Barrieren geht. 
Lassen Sie uns prüfen, ob wir nicht offensichtlich ungenutzte Mittel der 
Ausgleichsabgabe vor dem Zufluss in die Rücklage für andere Maßnahmen 
des Barrierenabbaus als im Arbeitsbereich nutzbar machen können. Nette 
Zinserträge für den Fond zu erwirtschaften ist ja ganz nett, aber doch nicht, 
wenn gleichzeitig behinderte Menschen immer noch um grundlegende 
Teilhabe in diesem Land kämpfen müssen. 
Ich bin sehr froh, dass dieser Antrag nicht kontrovers diskutiert wurde und 
werte die Enthaltung der CDU und AfD in der Ausschussempfehlung 
einfach mal als heimliche Zustimmung. 
„Wir müssen anerkennen, dass es natürlich Sonderwelten gibt. Auch der 
allgemeine Arbeitsmarkt ist eine Sonderwelt.“ 
Dieses ulkige Zitat stammt aus der Rede des Kollegen Uhlen zur 
Erstberatung dieses Antrages. Er sagte auch: „dass sozusagen fast ein 
Werkstatt-Bashing einsetzt und wir suggerieren, dass es besser ist, Gärtner, 
Metaller oder meinetwegen auch Tischler im allgemeinen Arbeitsmarkt zu 
sein als in einer Werkstatt.“ 
Ja, Herr Uhlen, natürlich. Natürlich ist es besser, diese Berufe auf dem 
allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, als in einer Werkstatt. Und wissen 
Sie, wer das sagt?

Die größte Studie zum Werkstattsystem in Deutschland, genauer gesagt der 
2023 erschienene Abschlussbericht der Studie zu einem transparenten, 
nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit 
Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren 
Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. In dieser wurden 300 
Werkstätten untersucht und befragt und mehrere tausend 
Werkstattbeschäftigte, ehemalige Beschäftigte und Werkstatträte befragt. 
Eine Aussage dieser Studie lautet: „Die Beschäftigten auf dem allgemeinen 
Arbeitsmarkt zeigen sich zu einem deutlich größeren Teil mit der aktuellen 
Arbeitssituation zufrieden oder sehr zufrieden (92%) als diejenigen, die 
inzwischen wieder in der WfbM arbeiten (71%). Die Zufriedenheit mit der 
Arbeit in der WfbM ist zudem bei Rückkehrern geringer als bei denen, die 
dort ununterbrochen beschäftigt waren.“ Und weiter: „Zugleich bewerten 
zwei Drittel der befragten Werkstattbeschäftigten das eigene Entgelt als zu 
niedrig (67%)“ 
Welch Überraschung. 
Sie sagen Herr Uhlen, Werkstätten seien Teil des allgemeinen 
Arbeitsmarktes und kritisieren uns, dass wir diese hier nicht gezielt 
adressiert haben. Abgesehen davon, dass wir das noch zu gegebener Zeit 
tun werden, ist diese Aussage faktisch falsch. 
Werkstätten sind Orte der Rehabilitation. Beschäftigte von Werkstätten sind 
keine Arbeitnehmer. Sie erhalten keinen Mindestlohn und sie haben kein 
allgemeines Recht auf Teilzeit, sondern nur wenn es behinderungsbedingt 
nötig ist. 

Und trotzdem arbeiten sie den ganzen Tag. Wissen hier eigentlich alle, wie 
viel die rund 300.000 Beschäftigten in Werkstätten für ihre Arbeit als Lohn 
erhalten? Durchschnittlich 226 €. 
Nur 15 % der Werkstattbeschäftigten beziehen neben ihrem 
Werkstattentgelt keine weiteren existenzsichernden Leistungen. Die eben 
erwähnte Studie zeigt, wie das die Werkstattbeschäftigten finden. Denn 
zwei Drittel der Befragten bewerten das eigene Entgelt als zu niedrig. 
Sie haben sich hier hingestellt und bedauert, dass Werksätten Konkurrenz 
aus China erhalten. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sie können doch 
nicht einerseits die Wertigkeit der Produkte aus Werkstätten betonen und 
gleichzeitig es schade finden, dass die chinesische Billiglohnproduktion 
bedauerlichweise doch günstige ist, als Behinderte die keinen Mindestlohn 
verdienen. 
Ich will Ihnen ein letztes Zitat von Ihnen vorhalten. Sie sagten: „Aber 
nichtsdestotrotz haben wir hier immer noch eine Tendenz, die auch Ihr 
Antrag wieder bekräftigt, der nur einen Weg sieht: den Weg raus aus der 
Werkstatt.“ 
Herr Uhlen wie hoch ist denn die Quote der Übergänge aus der Werkstatt 
auf den allgemeinen Arbeitsmarkt? Na? Ich sag‘s ihnen: 2015 schafften 294 
Menschen den Übergang. Im Jahr 2019 waren es 447. In ganz Deutschland. 
Das entspricht einer Quote von 0,35%. Wem wollen Sie eigentlich das 
Märchen erzählen, dass es nur Wege raus aus der Werkstatt gibt? Ich habe 
in über einem Jahrzehnt Aktivismus für behinderte Menschen nicht einen 
einzigen Fall gehabt, in dem es für eine Person ein Problem war in die 
Werkstatt zu gehen oder dort zu bleiben. Aber ich habe hunderte von Fällen, 
die es da nicht mehr raus schaffen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 
SPD und Grüne werden Segregation und Ausgrenzung nicht tolerieren. Auch 
nicht auf dem Arbeitsmarkt. 
Arbeit muss sich lohnen. Und zwar für alle Menschen! Dazu ist dieser 
Antrag geeignet und auch nötig. 
Vielen Dank!